Marlis Ehlen über Gartenkultur heute . . .
Sehr geehrter Herr Dräger,

vielen Dank für die ausführliche Darlegung Ihrer Gedankengänge und Ideen.

Zur Dokumentation über Leben und Werk des H.M. (Sie nennen sie ein erster Film) möchte ich einige Anmerkungen machen:
Die meisten Unterpunkte, die Ihnen zunächst eingefallen sind, beziehen sich, m.E. auf Funktionen des Gartens, nutzbare Gartenräume, planerische und praktische Gesichtspunkte bei der Neuanlage eines Gartens mitsamt Neubau. Alles nachvollziehbar und sehr wichtig. Ein Kennzeichen der Gartengestaltung von H.M. sind ja die verschiedenen Gartenräume, die dem Wohnen und Leben im Freien dienen sollen. Bei einer guten Berücksichtigung all dieser Faktoren kommt es natürlich zu einem ästhetischen Gesamteindruck.

Aber ganz wichtig sind die rein gärtnerischen Gestaltungs-Ideen von H.M. Die hohe Kunst der richtigen Pflanzenauswahl unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse muß ihre Würdigung finden. Jedes einzelne Beet, die Gesamtanlage, die Wege durch den Garten, die Begrenzung nach außen, die Materialien usw. jedes Detail und die Gesamtheit zeugt von einem unglaublichen Sinn für Schönheit und Ästhetik (siehe z.B. Garten der Villa Wachholz in Neumünster). Ich fühle mich regelrecht ergriffen, wenn ich ein Haus im Reformstil mit dem dazu passenden harmonischen Garten sehe.

Wenn ich durch Siedlungen oder Villenviertel gehe, fällt mir auf, daß die meisten Leute sich nicht mehr darum kümmern, ob ihr Umfeld einen ästhetischen Eindruck macht. Stilmäßig wird am Gebäude zuviel durcheinander gewürfelt, Gehölze und Blumen verschwinden aus den Gärten. Bäume, die in ihrer strukturellen Wirkung für den ästhetischen Eindruck wichtig sind, werden gefällt, weil ihr Laub mit Dreck gleichgesetzt wird. Nicht versteckte Mülltonnen, Gerümpelecken. Es herrscht Geschmacklosigkeit oder/und ästhetischer Kleingeist. Mein Mann, deutlich sprachgewandter als ich, hat dies alles in einem Essay zum Ausdruck gebracht, den ich Ihnen im Anhang beifüge.

Die kleinen Grundstücke sind nicht nur dem Preis gezollt. Auf dem Land finden sie auch Verbreitung. Der Grund: Es ist kein Interesse an einem Garten vorhanden. Breite Terrassen mit teuren Gartenmöbeln, riesigen Grillapparaten dominieren nach hinten. Zur Straße befinden sich riesige Carports auf öden, aber teuren Steinflächen oder Kiesanlagen. Wegen der Solarteile auf den Dächern werden nur Kleinbäume gepflant. Hecken zum Abgrenzen sind out, schließlich hat man nichts dagegen, wenn man sich in die Wohnzimmer sieht, man will ja schließlich zeigen, was man hat. Das ist aus meiner Sicht die Realität. Derartige Beobachtungen werden Sie auch gemacht haben. Dennoch darf man die Hoffnung nicht aufgeben und sollte versuchen, zumindest den noch geerdeten Menschen behilflich zu sein, ihr kleines Grundstück (in der Stadt nun wirklich eine Kostenfrage) mit Hilfe der Ideen von H.M. zu einem ästhetischen grünen Außen-Lebensraum zu gestalten. Damit der Kontakt zum Kreislauf der Natur und des Lebens sinnlich wahrgenommen werden kann.

Dazu wünsche ich Ihnen viele Ideen und die Kraft und die Lust, all das umzusetzen, was Ihnen so vorschwebt.
Für heute verbleibe ich mit herzlichem Gruß
Marlis Ehlen